Donnerstag, 8. Januar 2015

Wind aus West mit starken Böen

»Wann hast du Hannes denn das letzte Mal gesehen?«
»Im Februar vor zweiundzwanzig Jahren. « 

 
Bereits diese kurze Einführung klingt wieder vielversprechend.
Ich freue mich endlich mit "Wind aus West mit starken Böen" erschienen im dtv Verlag neuen Lesestoff von Dora Heldt in den Händen zu halten und muss gestehen, ein großer Fan von ihr zu sein.
Schon allein die kurzen Klappentexte lassen mich meistens im Buchladen laut auflachen oder packen wie hier meine volle Neugier.


Das Buch hat vor allem einen persönlichen Bezug, da ich vor ein paar Jahren selbst auf Sylt war und einen wunderschönen Urlaub mit meinem besten Freund da verbrachte der mich sofort an all das erinnern lässt. Und genau dieser beste Freund schenkte mir jetzt das Buch und somit ein Stück Erinnerung :)

Hafen von List

Der Leser lernt Katharina kennen. Sie ist Mitte 40, ein penibler Workaholic, der alles im Leben unter Kontrolle haben muss. Selbst mit Ihrem Partner Jens, mit dem sie seit 3 Jahren zusammen ist, pflegt sie eine Beziehung in getrennten Wohnungen – so wirklich Sympathie entwickelt man nicht wirklich für sie.

Für Ihre Arbeit, als Mitarbeiterin in einem Recherchebüro, soll sie auf die Insel Sylt um für den Autor Bastian de Jong Material für sein neues Buch zu sammeln.

Katharina jedoch überkommt ein absolut unwohles Gefühl, wenn sie an Sylt denkt. Zu viele Erinnerungen hängen an dieser Insel, wo sie aufgewachsen und zur Schule gegangen ist.
Es konnte Katharina damals nicht weit genug von der Insel treiben, um ihrer Vergangenheit aus dem Weg zu gehen und dafür nahm sie alles in Kauf…

Katharina’s Schwester Inken hingegen könnte nicht unterschiedlicher sein. Nicht nur deshalb weil Inken eine absolute kreative freiheitsliebende Chaotin durch und durch ist, sie hängt vor allem an Sylt und wohnt heute noch dort.
Im Gegenzug zu ihrer Schwester schlägt sie sich quasi durch das Leben, hat Schulden, aber Inken ist glücklich mit ihrem einfachen Leben – meint man.
Für Inken empfindet man viel eher Sympathie, da sie authentisch und ausgelassen wirkt.

Sonnenuntergang wie von Katharina und Inken beschrieben

Wir reisen mit Katharina nach Sylt und erleben vor allem eine sehr nachdenkliche Katharina, die vor allem ihre Vergangenheit reflektiert und ihr am Ende unmittelbar gegenüber steht.
Wir erleben aber vor allem auch, wie sich das Verhältnis beider Schwestern so merklich verändert und wie ähnlich sich doch die beiden sind – Schwestern eben.

Das Buch hat mich unglaublich berührt, vor allem als die beiden Schwestern, die nicht unterschiedlicher eben hätten sein können sich gegenüber stehen. Es hat mich zu Tränen gerührt als Inken Katharina gesagt hat wie furchtbar es sich als kleine Schwester anfühlt immer noch als „die kleine dumme Schwester“ betrachtet und nicht ernst genommen zu werden. Ich fühlte als ob ich mit im Wohnzimmer auf der Couch sitze und beiden direkt zu hören...
Aber auch die Geschichte über die erste große Liebe hat noch tagelang in mir nach gehallt und mich an meine denken lassen. Dennoch hat es an manchen Stellen wie in einer Daily-Soap gewirkt - die ganzen Verwirrungen und zufälligen Zusammenspiele waren für mich etwas übertrieben, haben aber das Lesevergnügen nicht merklich beeinträchtigt.

Dadurch, dass ich selbst auf Sylt war konnte ich mir die Landschaft, wie sie Dora Heldt beschreibt, nur allzu wahrhaftig vorstellen, als ob ich selbst am Lister Hafen steh oder am Strand von Kampen spazieren geh.
Ihre Art zu schreiben fesselt einen stets mit einem Lächeln um die Lippen. Amüsant, tiefgreifend und berührend zu gleich. Kaum ein Autor schafft es all das in einem Buch von Anfang an bis zum meist überraschenden Ende zu vereinen.
Mich faszinieren die Bücher von Dora Heldt generell, die fast alle mittlerweile auch verfilmt wurden, auch wenn die Protagonisten meist Mitte oder Ende 40 sind. Irgendwie kann ich jedes Mal herzhaft lachen und weinen.

Dora Heldt bei einer Lesung in Leipzig

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